Der Landkreis Konstanz ist ländlich geprägt und für seine reizvolle Landschaft bekannt. Die Hälfte der Menschen wohnt in eher kleinen Gemeinden. Für sie hat das Auto für den Einkauf und die Teilhabe an kulturellen Veranstaltung eine große Bedeutung. Während in den städtischen Zentren die Mobilitätswende bereits voranschreitet, werden ländliche Regionen immer abhängiger vom eigenen Pkw. Besonders für Senioren ist das Auto unverzichtbar, weil selbst eine Verdopplung des Busverkehrs keine Lösung für die alltäglichen Erledigungen, Einkäufe und Kontakte bieten kann.

Im ländlichen Raum liegen Einkaufszentren meist am Rand der Hauptgemeinde. Arztpraxen und Apotheken verschwinden. Die Entfernung zu Fuß zum Einkaufen ist weit und je nach Wetter beschwerlich. Bei größerem Bedarf ist auch das Rad kein Ersatz für das Auto .Lieferdienste können den kleinen Plausch und die Freude an neuen Angeboten beim Einkaufen auch nicht ersetzen. Außerdem gehen Kontakte, die im Beruf mit den Kollegen oder in der Schule mit Kammeraden entstehen, über die Ortsgrenzen hinaus in benachbarte Teilorte. Busverbindungen gibt es dort selten oder sie fahren nur stündlich.
Mit der Verkehrswende soll der öffentliche Nahverkehr verdoppelt und der private Autoverkehr um ein Fünftel reduziert werden. Ein Vergleich der gefahrenen Kilometer pro Person mit dem Auto und dem ÖPNV Busverkehr zeigt die Herausforderung zum Erreichen der Ziele. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr weist für 2020 eine Verkehrsleistung von über 926 Milliarden Personenkilometern mit dem Auto aus und nur 44 Milliarden Personenkilometern, die mit dem öffentlichen Bus gefahren wurden. Das Auto ist bei weitem das dominante Verkehrsmittel in Deutschland.
Wie wichtig das Auto für Senioren ist, zeigt der Bestand von rund 165 000 zugelassenen Fahrzeugen im Kreis Anfang 2024, davon mehr als die Hälfte auf Bürger über 60 Jahre.

Stellungnahme des Kreisseniorenrates zum Anhörungsverfahren für einen neuen Nahverkehrsplan für den Landkreis Konstanz

Konstanz, 20.07.2024

Die Mitglieder des Kreisseniorenrates Konstanz haben zu der Bestandsanalyse und der Angebotskonzeption im öffentlichen Busnahverkehr des Landkreises Anregungen gesammelt und bringen Vorschläge für Verbesserungen ein.
Über alle Maßnahmen hinweg sollte der demografische Wandel berücksichtigt werden. Die Zahl der älteren und hochaltrigen Menschen im Landkreis steigt an. Mehr Menschen mit Einschränkungen sind auf den ÖPNV angewiesen. Wir erhalten In Gesprächen mit den Senioren häufig den Hinweis, dass die Entfernungen zu Haltestellen zu weit sind. Außerdem sind noch immer viele Haltestellen für Menschen, die schlecht zu Fuß sind, ein Hindernis. Bei Automaten und digitalen Anwendungen erhalten wir die Rückmeldung, dass die Bedienung kompliziert sei.
Für Menschen, die mit der Deutschen Sprache nicht vertraut sind, sollten Beschreibungen in einfacher Sprache verfasst werden.

Anmerkung 1
Mit der Umstellung auf den Aufgabenträgerverbund gibt der Landkreis die Rahmenbedingungen vor. Die Städte Engen, Konstanz, Radolfzell und Singen erbringen die Stadtverkehre in Eigenverantwortung unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen des Nahverkehrsplanes.
Nicht erkennbar sind für uns die Auswirkungen auf deren Verkehrsplanungen und Fahrpläne bei der Taktvereinheitlichung von regionalen Busverbindungen. Eine Aussage hierzu ist uns nicht möglich.

Anregung 2
Die Bestandsanalyse betrachtet vorrangig den Pendlerverkehr von Berufstätigen und Schülern. Auf die Mobilität im innerörtlichen Bereich wird nur wenig eingegangen. Die kommunale Infrastruktur ist vielerorts auf den motorisierten Verkehr ausgerichtet. Einkaufszentren mit einem Vollangebot liegen am Ortsrand und sind selbst für die Menschen im Ort nur mit dem Auto erreichbar. Ärzte und kulturelle Einrichtungen liegen in den benachbarten Zentren.
Die nachfolgend eingefügte Grafik aus der auch von Ihnen zitierten Studie MID 2017 zeigt, dass Personen ab 70 Jahre hauptsächlich Wege für Erledigungen, Einkauf und Freizeit haben und keine Berufspendler mehr sind. Diese Wege erledigen sie nach Ihrer Analyse größtenteils mit dem Auto.
Da sich die Daten der Studie MID auf das Jahr 2017 beziehen, sind die Veränderungen durch die Corona Pandemie nicht erfasst. Homeoffice wird zu einer Veränderung der Verkehrsströme führen. Dass innerörtliche Verbindungen mehr gefragt sind, kann auch an dem Erfolg der 1-Euro-Tickets abgelesen werden. In Hilzingen z.B. wurde das 1-Euro-Ticket vor drei Jahren eingeführt und verzeichnet steigende Fahrgastzahlen.
Um den Umstieg vom Motorisierten Individualverkehr auf den ÖPNV attraktiver zu gestalten, sollte der demografische Wandel stärker berücksichtigt werden. Laut dem Kreisseniorenplan des Landkreises wird der Anteil der Personen im Alter ab 65 Jahren bis 2030 um 23,8 Prozent gegenüber 2021 zunehmen. Der Anteil hochaltriger Menschen über 80 Jahren wird ab 2035 deutlich ansteigen.
Um der größer werdenden Zahl Senioren weiterhin die Teilhabe zu ermöglichen, sollte die Entwicklung alternativer öffentlicher Transportangebote auch im innerörtlichen Bereich vorangebracht werden. Dies auch vor der Diskussion über allgemeine Fahrtauglichkeitsprüfungen, da zu erwarten ist, dass ältere Menschen auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen öfter auf den Führerschein verzichten müssen.
Fahrrad, Scooter oder Carsharing sind für diese Personengruppe keine allgemein geeigneten Lösungen.
Ziele des täglichen Bedarfs, wie z.B. Einkaufszentren oder Medizinische Versorgungzentren sollten mit dem Bus besser und ohne lange Fußwege erreichbar sein. Ein Beispiel dafür wäre eine zusätzliche Haltestelle in Güttingen beim Supermarkt.

Anregung 3
Bei Carsharing ist anzumerken, dass die Fahrzeuge unterschiedliche Bedienungen haben, in die man sich als Fahrer unabhängig vom Alter erst einarbeiten muss. Selbst Fahrzeuge desselben Herstellers unterscheiden sich bei der Bedienung. Übersichtliche Beschreibungen der wichtigsten Fahrzeugeinstellungen sollten im Fahrzeug liegen.

Anregung 4
Digitale Anwendungen für die Fahrplanauskunft sollten auf eine einheitliche Datenbasis zurückgreifen und nach dem Schweizer Vorbild für jede gesuchte Verbindung den jeweils günstigsten Fahrpreis anzeigen, inklusive der Sonderangebote für verschiedene Personengruppen.

Anregung 5
In Städten und größeren Gemeinden im Landkreis gibt es seit einiger Zeit erfreulicherweise das 1-Euro-Ticket, um die jeweiligen Ortsteile anzubinden. Lücken ergeben sich dabei jedoch gemeindeübergreifend, so z.B. von Moos nach Radolfzell, von Hilzingen nach Singen, von Aach nach Eigeltingen, Engen und Volkertshausen, da für diese recht kurzen Strecken 6 Euro hin und zurück bezahlt werden müssen. Notwendig sind diese Fahrten, da gerade Ärzte, Apotheken, Buchhandlungen, Fachgeschäfte, Restaurants, Kulturangebote und v.a. vor Ort fehlen.
Das stößt auf allgemeines Unverständnis. Der Landkreis Konstanz könnte für diese Strecke ebenfalls die Kostendifferenz zum Normalpreis für die genannte Strecke übernehmen und das 1-Euro-Ticket zulassen.

Anregung 6
Die Gemeinde Mühlingen schlägt eine bessere Anbindung an die Stadt Tuttlingen vor. Dies könnte erreichet werden durch eine Verlängerung der Buslinie 100 ( Stockach – Hecheln) bis zur Haltestelle Krätlemühle ( Schnellbus Stockach – Tuttlingen ).

Anregung 7
Für ältere Fahrgäste aus Gailingen besteht weiterhin nachmittags keine Verbindung ohne Umsteigen, um für Besuche von Angehörigen ins Hegau-Klinikum zu kommen. Die bestehende Busverbindung setzt bis auf ein einmaliges Umsteigen um 16:20 Uhr immer ein zweimaliges Umsteigen voraus. Das ist für ältere Mitbürger, die schlecht zu Fuß sind, sehr beschwerlich. Wünschenswert wäre, die Fahrtnummern 135 oder 139 bis nach Singen zu verlängern, mit einer Haltestelle am Hegau-Klinikum. Bei der Haltestelle Singen Hegau Klinikum sollte ebenso auch nachmittags die Rück-fahrt nach Gailingen ohne Umsteigen möglich sein.

Anregung 8
An den Mobilitätsstationen kommen verschiedene Verkehrsmittel zusammen. Wünschenswert ist es, neben Wartungsstationen für Fahrräder auch öffentliche Toiletten bereit zu stellen.

Anregung 9
Bei barrierefreien Zugängen zu Bahnsteigen sollte es neben Aufzügen auch jeweils eine Rampe geben. Aufzüge sind sehr störungsanfällig und stehen dann Reisenden mit Gepäck oder Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern nach unserer Beobachtung oft über mehrere Tage nicht zur Verfügung.

Gerne ist der Kreisseniorenrat für Rückfragen zu den genannten Anregungen und Vorschlägen bereit.
Wir würden uns sehr freuen, wenn wir nach den Rückmeldung aus dem Anhörungsverfahren Ihre Ergebnisse erfahren dürften und die Möglichkeit zu einem Gespräch erhalten könnten.
Harry Fuchs
Sprecher des Kreisseniorenrates

Mit Vorträgen von der Leiterin des Amtes für Nahverkehr und Schülerbeförderung, der Radverkehrskoordinatorin des Landratsamtes, vom Amt für Klimaschutz und Kreisentwicklung sowie dem Kreis-Vertreter des ADFC, des Ortsverbandes Konstanz des Fuss e.V und der Vertreterin des Fahrlehrerverbandes hat sich der Kreisseniorenrat ein Bild über die künftige Mobilität im Landkreis aufzeigen lassen.

PDF-Vortrag von Frau Dr. Kaufhold, Leiterin des Amtes für Nahverkehr im Landkreis Konstanz:


PDF-Vortrag von Frau Sigg, Radverkehrskoordinatorin im Landkreis Konstanz:


PDF-Vortrag von Frau Brehme, Amt für Klimaschutz und Kreisentwicklung zur Mobilitätswende:


PDF-Vortrag von Ralf Seuffert, Vorsitzender des Kreisverbandes des ADFC:



PDF-Vortrag von Michaela Kasek, Leiterin der Fahrschule -drive with MI-: