Positionspapier zur stationären Krankenversorgung
Der Kreisseniorenrat und die angeschlossenen Stadt- und Ortsseniorenräte vertreten im Landkreis Konstanz die Interessen der älteren Menschen, insbesondere auch der Hochbetagten, deren Anteil in unserer immer älter werdenden Gesellschaft überproportional wachsen wird-. Diese leiden oft unter vielfachen Beschwerden und Behinderungen (Multimorbidität). Führt eine zusätzliche akute Erkrankung zu einer stationären Behandlung, so verschlechtern sich meist auch die vorbestehenden Leiden und bilden ein sehr komplexes Beschwerdenbild, das einer besonderen, zeitaufwendigen medizinischen, pflegerischen und sozialen Betreuung bedarf. Hierbei ist problematisch, dass die Abrechnung nach Fallpauschalen diesem Bedarf nicht gerecht wird.
Die Zukunft der Krankenhäuser im Landkreis Konstanz in ihrer jetzigen Form ist durch gesundheitspolitisch verordnete Sparmaßnahmen und die wirtschaftliche Entwicklung in Frage gestellt. Wie es weitergehen soll, werden die politisch Verantwortlichen in absehbarer Zeit entscheiden müssen.
Die Seniorenräte verkennen nicht, dass auch im Kreis Konstanz die Strukturen in den Krankenhäusern an die sich ändernden Bedingungen im Gesundheitswesen angepasst werden müssen. Hoher Kostendruck, zunehmende Spezialisierung mit immer aufwändigeren Untersuchungs- und Behandlungstechniken zwingen dazu, die vorhandenen Ressourcen in den Krankenhäusern zu hinterfragen, die Angebote der einzelnen Häuser auf den Prüfstand zu stellen, zu bewerten und aufeinander abzustimmen, um die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen zu sichern. Auch ist nur über Mindestfallzahlen die bestmögliche Qualität der medizinischen Behandlung zu erreichen.
Die Seniorenräte gehen davon aus, dass der gute bisherige Leistungsstandard erhalten bleibt und die speziellen Erfordernisse bei der stationären Versorgung der zunehmenden Zahl der älteren Patienten beachtet werden. Dies kann nur gelingen, wenn die Träger der Einrichtungen einvernehmlich handeln und die Verantwortlichen in den Kliniken enger als bisher kooperieren und bereit sind, die vorhandenen Ressourcen aufeinander abzustimmen. Das gelingt unseres Erachtens noch am ehesten unter einer gemeinsamen kommunalen Trägerschaft aller Kliniken im Kreis Konstanz.
Für einen guten Versorgungsstandard der betagten Patienten, so wie er auch von den zuständigen wissenschaftlichen geriatrischen Gremien in Deutschland und im Geriatriekonzept des Landes Baden-Württemberg gefordert wird, halten wir folgende Maßnahmen für notwendig:
- Keine Kürzung, vielmehr eine Aufstockung des Pflegepersonals in der Versorgung geriatrischer Patienten. Da diese bisher in den Krankenhäusern über die verschiedenen Stationen verteilt betreut werden, ist zu prüfen, ob nicht interdisziplinäre geriatrische Schwerpunktstationen mit dem erforderlichen Personalschlüssel gebildet werden können.
- Qualitative geriatrische Aus- und Weiterbildung für Pflegepersonal und Ärzte.
- Soviel Ortsnähe wie möglich und wirtschaftlich sowie medizinisch vertretbar. Sollte das Leistungsspektrum an einzelnen Standorten verändert oder gekürzt werden, so sollten in der verbleibenden Basisversorgung – sei sie stationär oder ambulant – die besonderen Bedürfnisse der geriatrischen Patienten beachtet werden: Verbleib möglichst im gewohnten sozialen Umfeld und Berücksichtigung der eingeschränkten Anpassungsfähigkeit an einen schnellen Wechsel von Umgebung und Bezugspersonen.
- Eine wirkungsvolle, praktikable und im Kreis allgemein geregelte Vernetzung von Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, Hausärzten, sozialen Diensten, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen sowie palliativer Versorgung, die gewährleistet, dass Menschen mit stark eingeschränkter Mobilität die notwendige medizinische, pflegerische und soziale Betreuung nach der Entlassung aus stationärer Behandlung erhalten – auch am Wochenende.
- Welche medizinischen Leistungen bei geriatrischen Patienten ambulant oder stationär durchgeführt werden sollen, muss eine differenzierte und fachliche Beurteilung bestimmen.
- Gegen Lebensende muss auch abgewogen werden, welchen Nutzen oder welche Belastung eine medizinische Maßnahme für den einzelnen Patienten bedeutet. Die Selbstbestimmung hat auch in dieser Lebensphase höchsten Stellenwert. Ein würdiges Sterben muss auch unter den jetzigen Abrechnungsbedingungen im Krankenhaus möglich bleiben und eine unwürdige Verlegung kurz vor dem Ableben in eine fremde Pflegeumgebung ist zu vermeiden. Die stationäre palliative Schmerzbehandlung ist auch dementen Patienten in vollem Umfang zu ermöglichen.
- Die Gerontopsychiatrie gewinnt in der Geriatrie im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen und Hirnleistungsstörungen zunehmend an Bedeutung. Um diesem wachsenden Stellenwert Rechnung zu tragen, sollte im Rahmen der Umstrukturierung überprüft werden, ob entsprechende Abteilungen in die Trägerschaft des Zentrums für Psychiatrie Reichenau überführt werden.
Die Seniorenräte im Kreis Konstanz ersuchen die Entscheidungsträger, sich in besonderer Weise für diese Belange der geriatrischen Patienten einzusetzen.
20.10.2010
Kreisseniorenrat Konstanz Ernst Günter Hahn Benediktinerplatz 1 78467 Konstanz Tel.: 07531 800-1784